18.07.2022

Stolberg gedenkt der Flutkatastrophe und dankt den Helfern

Veranstaltung zum Jahrestag der Flut begann mit ökumenischem Gottesdienst auf dem Kaiserplatz - Pfarrer Jens Wegmann: "Wir schauen hoffnungsvoll in die Zukunft, brauchen aber noch einen langen Atem"

Pastor Hans Rolf Funken und Pfarrer Jens Wegmann (von links) zelebrierten mit einem Geistlichen der Ditib-Gemeinschaft den Gedenkgottesdienst auf dem Stolberger Kaiserplatz.
Pastor Hans Rolf Funken und Pfarrer Jens Wegmann (von links) zelebrierten mit einem Geistlichen der Ditib-Gemeinschaft den Gedenkgottesdienst auf dem Stolberger Kaiserplatz. (Foto: Berthold Strauch)

„Wir sind aus dem Gröbsten raus und schauen hoffnungsvoll in die Zukunft.“ Mit diesen Worten beschrieb Pfarrer Jens Wegmann im Gespräch mit unserer Redaktion die aktuelle Lage, nachdem die gesamte Stolberger Innenstadt vor einem Jahr durch die brutale Überflutung meterhoch unter Wasser gesetzt worden war und schlimmste Zerstörungen hervorgerufen hatte.

Bis all diese Schäden beseitigt sind, wird es wohl noch viele Jahre dauern. Doch zum Jahrestag der Katastrophe war erst einmal Feiern angesagt – um all den Menschen Dank abzustatten, die sich damals uneigennützig und ehrenamtlich eingebracht haben, um den Betroffenen zu helfen. Und viele von ihnen machen immer noch regelmäßig weiter – ein grandioses Zeichen der Hoffnung. Die Veranstaltung stand unter dem Motto: „Helfer für Helfer – Gedenken und Danken“.

"Größte Katastrophe in Stolberg nach dem Zweiten Weltkrieg"

Teil der Gedenkfeier war auch ein ökumenischer Gottesdienst. Er wurde von Pfarrer Jens Wegmann von der Evangelischen Kirchengemeinde Stolberg gemeinsam mit Pastor Hans Rolf Funken, katholische Pfarrgemeinde St. Lucia Stolberg, zelebriert. Auch ein Abgesandter aus Köln für die muslimischen Gläubigen richtete Worte an die zahlreichen Teilnehmer, die den Kaiserplatz gut füllten.

Bürgermeister Patrick Haas (SPD) sprach von einem „intensiven Jahr, das uns nach der Katastrophe ereilt hat, es war nicht einfach“. Am 14. Juli 2021 habe man „die größte Katastrophe in der Kupferstadt Stolberg nach dem Zweiten Weltkrieg“ erleben müssen, mit immensen Zerstörungen durch die enormen Wasserkräfte. Es sei ein großes Glück gewesen, dass dabei keine Todesopfer zu beklagen gewesen seien. In dieser „schweren Tragödie war dies der wichtigste Punkt“, so Haas.

Dankbar für das großartige Engagement zahlloser Helfer

Der Bürgermeister zeigte sich immer noch sehr angetan und dankbar wegen des großartigen Engagements zahlloser Helfer nach dem „extremen Schock“ – auch weil sie „an die Zukunft der Stadt glauben“. Der Bürgermeister zeigte sich „stolz auf unsere Gemeinschaft“ und die vielen Einsatzkräfte, die von außerhalb nach Stolberg kamen. Hilfe sei immer noch vonnöten. Denn nach diesem schweren Schicksalsschlag seien immer noch viele Menschen „in ihren Trümmern gefangen“, so Haas. Er verwies auf den vom Stadtrat beschlossenen Wiederaufbauplan, der ein Volumen von 225 Millionen Euro bereithalte – „eine große Herausforderung“. Das Ziel sei, auch mit einem neu errichteten Rathaus eine „nachhaltige, zukunftsorientierte Stadt aufzubauen“. Die „Stadtgesellschaft hält zusammen“. Dies sei nicht mehr selbstverständlich, wo es mittlerweile auch „viel Gegeneinander“ gebe. „Wir wollen, dass Stolberg wieder schön und liebevoll wird. Dafür kämpfen wir jeden Tag“, bekräftigte der Bürgermeister.

Seelische Wunden bleiben noch lange sichtbar

Auch Pfarrer Wegmann und Pastor Funken fanden anschließend wertvolle Worte, um die schrecklichen Geschehnisse von vor einem Jahr aufzuarbeiten, Mut zuzusprechen, zu trösten und die Betroffenen mental wiederaufzubauen. Lebensentwürfe seien zerstört worden, Hoffnungen begraben worden, Leben in Frage gestellt worden. Auch seelische Wunden blieben noch lange sichtbar.

Für die musikalische Umrahmung der Andacht sorgte Kantor Günter Antensteiner an der Orgel, während die Lyrikerin Natalie Stercken aus Texten zitierte, die nach der Flut von Betroffenen in einer Schreibwerkstatt entstanden waren. „Wir werden Stolberg nicht aufgeben!“, lautete das aufmunternde Fazit.

Hochachtung für den Wiederaufbau und die Zuversicht

Zu Gast war auch Dr. Joachim Reichert, der Vorstandsvorsitzende des Wasserverbandes Eifel-Rur (WVER). Er zollte „absolute Hochachtung“ dafür, was nach der Katastrophe an Wiederaufbau geleistet und mit Zuversicht angepackt worden sei. Er verwies auf ein Maßnahmenpaket von 63 Projekten, den „Hochwasser-Masterplan“, um künftig besser gewappnet zu sein. Gemeinsam mit Bürgermeister Patrick Haas und dem Ersten und Technischen Beigeordneten Tobias Röhm schraubte Reichert am Alten Rathaus eine der Hochwassermarken an, die an die Flutung vor Jahresfrist erinnern soll.

„Vieles ist durch ganz viel Hilfe repariert worden“, betonte Pfarrer Jens Wegmann nach der offiziellen Gedenkfeier im Gespräch. Man sei aber „noch lange nicht am Ende“. Schön sei es auch zu sehen, dass einige Geschäftsleute bereits wieder ihre Schaufenster bestückten. Aber eben es sei auch zu erleben, wie die Betroffenen sich mühten, wiederaufzubauen – ein langer Prozess, der „einen langen Atem“ erfordere, so Wegmann weiter.

Zusätzliches Seelsorge-Angebot für Hochwasser-Betroffene

Der Pfarrer verwies auch auf die umfangreichen Beratungsleistungen zugunsten von Flutopfern, insbesondere auch bei der Weiterleitung von Spenden. Mittlerweile sei das Engagement professionalisiert worden, verwies er auch auf den evangelischen Pfarrer Wolfram Witthöft, der weiterhin als zusätzlicher Seelsorger für Stolberger Hochwasser-Betroffene zur Verfügung steht. „Es gibt immer noch Immobilienbesitzer, die uns sagen, dass ihnen das Geld für die Reparatur fehlt.“ Mehr als 100.000 Euro, schätzt Wegmann, seien inzwischen an Geldern weitergereicht worden, die die evangelische Kirchengemeinde erreicht hätten: „Hunderten Menschen konnte damit geholfen werden.“ Um die Weitergabe von Sachspenden kümmert sich mittlerweile die Sozialorganisation „Wabe“, zum Beispiel Kleidung. „Auch da gibt es immer noch Nachfrage. „Es bleiben die Bilder und Sorgen, im Kopf, im Herzen, in der Seele.“ Gerade bei Menschen, die ihre zerstörten Wohnungen verlassen mussten.

Hilfseinrichtungen arbeiten Hand in Hand

Froh und glücklich zeigt sich Pfarrer Jens Wegmann über die enge Kooperation der verschiedenen Hilfseinrichtungen. Hier werde „Hand in Hand“ gearbeitet – was auch noch lange weiter wichtig bleibe. Der Pfarrer verwies auch darauf, dass die evangelische Gemeinde auch „mit Räumen geholfen“ habe und dies auch weiterhin tun wolle, etwa im ökumenischen Gemeindezentrum an der Frankentalstraße, wo Platz für die wegen der Flutfolgen aus dem Rathaus vertriebene Stadtverwaltung gemacht worden sei. Auch bei Überbrückungslösungen für zerstörte Kindertagesstätten habe man helfen können. Gerade für die sichere Betreuung der Kinder sei eine Kontinuität von großer Wichtigkeit, so Wegmann.

 (Text: Berthold Strauch)

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