Exerzitien sind geistliche Übungen, die helfen, Gott und den Alltag zusammenzubringen. Die zentrale Frage dabei ist: Wie erkenne ich Gottes Willen für mich?
Zwei Szenen:
1. Manchmal fühle ich mich unsicher und unter Druck. Müsste ich nicht noch viel mehr tun, um anderen zu helfen? Mehr Geld spenden, mehr Einsatz für die Schöpfung, mehr …? In der Nachfolge Christi darf ich doch nicht feige oder egoistisch sein.
2. Manchmal bin ich entspannt. Mein Leben fühlt sich rund und schön an. Ich bin von mir überzeugt und was ich mache, wird vielen gefallen. Ich mache es gerne und habe keine Zweifel.
In welcher der beiden Situationen bin ich in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes für mich? Zugegeben, diese Frage kann nur jede/r individuell beantworten. In den Exerzitien stellt sich die Frage nach dem Geist, der mich leitet. Damit sind die Gefühle und Motivationen gemeint, die meinem Handeln zugrunde liegen.
Ignatius von Loyola hat in seinem Exerzitienbuch diesen Prozess die „Unterscheidung der Geister“ genannt. Was führt mich zu Gott hin, was führt von Gott weg? Dabei geht es immer darum, den Weg zu wählen, auf dem ein Mehr erfahren wird: mehr Vertrauen, mehr Liebe, mehr Hoffnung, mehr Friede, mehr Gerechtigkeit … Es gibt Kurse in Exerzitienhäusern, auch im Haus der Stille in Rengsdorf, die Übungen an die Hand geben, das eigene Leben stärker mit Gottes Willen in Einklang zu bringen. Die Unterscheidung der Geister ist dabei eine wesentliche Übung.
Beim ersten der oben genannten Beispiele könnte die Anregung lauten: „Schau mal genau hin, ob dich da nicht der böse Geist mit guten Vorsätzen überfordern will.“ In der zweiten Situation könnte der Impuls lauten: „Klingt wie der gute Geist. Kann aber auch Tarnung des bösen sein, wenn du dich zu bequem und selbstgefällig einrichtest.“
Exerzitien-Übungen finden in der Stille statt, da diese hilft, die eigene Wahrnehmung zu schärfen, hinzuspüren und mit Gott in Verbindung zu kommen. Meistens sind biblische Texte oder christliche Symbole Grundlage der Betrachtung im Schweigen. Die ignatianische Schriftbetrachtung bezieht alle Sinne und die ganze Vorstellungskraft des/der Übenden mit ein. Sie vollzieht sich in folgenden Schritten:
Nach einem Exerzitienkurs entsteht oft der Wunsch, einen Teil der Übungen zu Hause im Alltag fortzuführen. Ein fester Zeitpunkt am Tag und ein schön gestalteter Gebetsort helfen dabei. Es gibt auch das Angebot, an „Exerzitien im Alltag“ teilzunehmen. In Kirchengemeinden werden diese oft in der Passions- oder Adventszeit durchgeführt.
Irene Hildenhagen
Quelle: EKiR.info 4/2023
Kleiner Infokasten: Haus der Stille
Das Haus der Stille (https://haus-der-stille.ekir.de) hat 2018 ein Jubiläumsmagazin mit einem ausführlicheren Text zu Exerzitien herausgegeben:
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