Hatte Jesus auch Jüngerinnen?

Es waren nicht nur zwölf und es waren nicht nur Männer: Unter den Menschen, die Jesus nachfolgten und mit ihm lebten, fanden sich auch viele Frauen. Einige von ihnen nennt die Bibel gar als die ersten Zeuginnen der Auferstehung.

Die Antwort auf die Frage nach den Jüngerinnen lautet ganz klar: Ja. Das Neue Testament meint mit dem Wort „Jünger“ Menschen, die Jesus nachfolgten, mit ihm lebten und lernten. Das griechische Wort im Neuen Testament kann auch mit „Schüler“ oder „Schülerinnen“ übersetzt werden, denn es kommt von einem Verb für „lernen“. Das war damals ein ganz normaler Ausdruck. Auch andere Menschen hatten Jünger – also Schüler.

Im Deutschen war es lange üblich, bei Gruppen, bei denen auch ein Mann dabei ist, die männliche Sprachform zu verwenden. In meiner Lokalzeitung lese ich manchmal etwas über Erzieher – und sehe auf dem Bild doch weibliche Erzieherinnen. So wurde auch das Wort „Jünger“ in den biblischen Texten als Überbegriff für die weibliche und männliche Schülerschaft genutzt. Trotzdem wissen wir ganz genau, dass Jesus auch Jüngerinnen hatte. Zum Beispiel wird Tabita aus der Stadt Joppe ausdrücklich mit der weiblichen Form „Jüngerin“ benannt (Apg 9,36). Sie ist keine Ausnahme. Die Evangelien sprechen von vielen Frauen, die auf gleiche Weise wie Männer zur Nachfolgegemeinschaft Jesu gehörten (unter anderem Mt 28,5; Mk 15,40-41; Lk 8,2). Von einigen Frauen kennen wir die Namen, zum Beispiel Maria von Magdala, Johanna und Maria, die Mutter des Jakobus (Lk 24,10).

Wer im Konfi-Unterricht noch die Namen der zwölf Jünger oder zwölf Apostel auswendig gelernt hat und sich nur an Männervornamen erinnert, muss wissen, dass die Zahl 12 in der Bibel Symbolcharakter hat: Sie steht für die zwölf Stämme Israels. Wenn diese wieder vereint sind, wird Frieden und Gerechtigkeit herrschen. Einen Anfang dafür sahen die ersten Gemeinden in der Gruppe um Jesus. „Zwölf“ meint hier also „alle“. Dazu passt auch, dass die Jüngerschaft Jesu viel größer als ein Kreis von zwölf Personen war.

Von den Jüngerinnen und Jüngern, die Jesus zu Lebzeiten nachfolgten und von ihm lernten, werden die Apostelinnen und Apostel unterschieden. Sie bezeugen die Auferstehung von Jesus. Frauen waren die ersten Zeuginnen der Auferstehung, sie fanden den Stein vom Grab gewälzt und Jesus, den sie für den Gärtner hielten. Eine Frau wird von Paulus ganz besonders hervorgehoben: Junia, die am Ende des Römerbriefs gegrüßt wird (Röm 16,7). Zu ihr gibt es eine spannende Geschichte, die hier nicht erzählt werden kann – sie wurde zwischenzeitlich nämlich zum Mann erklärt, weil die Kirche sich keine Frauen als Apostelinnen mehr vorstellen konnte. Das ist jetzt zum Glück wieder anders.

Frauen spielten von Anfang an in der Nachfolge Jesu eine wichtige Rolle – sie ließen sich begeistern, lernten von Jesus und sie übernahmen Verantwortung in den Gemeinden. Obwohl Frauen bis heute weltweit Abwertung und Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts erfahren, schöpfen sie Kraft aus ihrem Glauben und aus dem starken Satz des Paulus (Gal 3,28): „Da ist nicht jüdisch noch griechisch, da ist nicht versklavt noch frei, da ist nicht männlich und weiblich: denn alle seid ihr einzig-einig im Messias Jesus.“ 

Irene Diller

Quelle: EKiR.info 3/2023

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